Strasse der Romanik / I.

Im November 2009

Autor: Klaus Donndorf
Das Logo der Romanik-Strasse Nord- und Südroute der »Strasse der Romanik«

Am 7. Mai 1993 offiziell eröffnet, ist die Strasse der Romanik in kurzer Zeit zu einer der beliebtesten Ferienstrassen in Deutschland geworden. Über 1000 Kilometer führt dieser interessante Rundkurs mit geballter Romanik zu den Spuren der Ottonischen Kaiser in Sachsen-Anhalt.

Vor rund 1.000 Jahren Zentrum abendländischer Geschichte, sind die Spuren deutscher Könige und Kaiser, angefangen bei dem ersten deutschen König aus dem Geschlecht der Liudolfinger bzw. Ottonen, nämlich Heinrich I. (dem Vogeler) entlang der Straße der Romanik zu entdecken.

Und genau das wollten wir tun bzw. damit anfangen.

Insgesamt sind es 72 Objekte in 60 Ortschaften und da wir die nicht alle hintereinander und auf einmal besuchen konnten, hatten wir uns zunächst einige Orte an der sog. Südroute vorgenommen (es gibt logischerweise auch eine Nordroute). In Magdeburg treffen beide Routen aufeinander. Wir haben unsere Tour in Hildesheim begonnen, fuhren weiter über Braunschweig - hier gab es eine Ausstellung zu Otto IV., dem einzigen Kaiser aus dem Geschlecht der Welfen - um dann über Goslar und Wernigerode weiter nach Qedlinburg, Halberstadt und schliesslich nach Magdeburg zu gelangen. ´ Stadtwappen von Hildesheim

Erstes Ziel war also Hildesheim, diese mit rund 103.000 Einwohnern »kleinste Großstadt Niedersachsens« - und das konnte sie auch nur durch Eingemeindungen werden ! Berühmt ist Hildesheim durch seine Kirchen und Kulturdenkmale, von denen wir uns einige bei einer Stadtführung ansehen und erklären lassen konnten. Immerhin sind die Zeugnisse von mehr als eintausend Jahren architektonischen Schaffens in Hildesheim zu bestaunen. Rathaus und Marktbrunnen

Die Führung begann am historischen Marktplatz, den Wilhelm von Humboldt einmal als »schönsten Marktplatz der Welt« bezeichnet haben soll. Und hier gibt es schon einige der original im historischen Aussehen rekonstruierten Gebäude zu bestaunen.

Als da sind -

  • Das Rathaus (rechts), das schon zwischen 1268 und 1290 erbaut, im Laufe der Jahrhunderte aber vielfach umgebaut und erweitert wurde. Aus dem 13. Jahrhundert stammen noch der Laubengang und die mit Wappen geschmückte Fassade. Der »kupferne Bläser« im Giebel stößt täglich um 12 Uhr ins Horn. Vor dem Rathaus steht der Marktbrunnen mit der Wächterfigur von 1540. Er wird auch als Rolandsbrunnen bezeichnet.


  • Rechts vom Rathaus steht das Tempelhaus (auch Tempelherrenhaus genannt / unten links) ein frühgotisches Patrizierhaus an der Südseite des Marktplatzes. Erbaut wurde es schon um 1350 von zwei Angehörigen einer Hildesheimer Bürgermeisterfamilie, Roleff und Eggert von Harlessem. Der 1591 geschaffene Renaissance-Erker, der in seinen Brüstungsfeldern neben dem Wappen der Familie von Harlessem unter anderem auch das »Gleichnis vom verlorenen Sohn« zeigt, gilt als Meisterwerk Hildesheimer Steinmetzkunst (unten Mitte).


  • Das Tempelhaus Der Renaissance-Erker Das Wedekindhaus
  • Das Wedekindhaus (obere Reihe rechts) wurde 1598 von dem Tuchhändler Hans Storre als Wohn- und Geschäftshaus mit Tuchlager erbaut. Die aus massiven Eichenholz geschnitzte Fassade wurde nach der Zerstörung 1945 wieder original rekonstruiert und zeigt in seinen Brüstungsfeldern allegorische Darstellungen. Ich zeige mal 6 davon -


  • obere Reihe : Gerechtigkeit / Glück / Rhetorik


    untere Reihe: Geiz / Musik / Luxus

    Marktplatz West- und Nordseite
  • An der Westseite des Marktes (rechts) steht das Bäckeramtshaus (1). Das Schmuckstück des Marktes ist aber ohne Zweifel das weltberühmte Knochenhaueramtshaus (2), schon 1592 als »Holzständerhaus« erbaut und nach der Zerstörung 1945 in den Jahren 1989 bis 90 wiedererrichtet. Dieses ehemalige Gildehaus der Fleischer (Knochenhauer) wird oft als das »schönste Fachwerkhaus der Welt« bezeichnet. An der Nordseite schliesslich stehen die Stadtschänke, das Rokokohaus (3) und das Wollenwebergildehaus (4).


  • Weiter gingen wir zu St. Andreas (2 Bilder unten), einer ehemals romanischen, jetzt aber gotischen Bürgerkirche, die den mit 114,5 Metern höchsten Kirchturm Niedersachsens besitzt. Ausserdem gehört sie - wie der Dom - zum UNESCO - Weltkulturerbe. Von hier aus führte Johannes Bugenhagen (1485-1558)), ein bedeutender deutscher Reformator und Weggefährte Martin Luthers, die neue evangelische Kirchenordnung ein. Als Freund Martin Luthers war er nicht nur dessen Vertrauter und Beichtvater, sondern schloss dessen Ehe mit Katharina von Bora, vollzog die Taufe bei deren Kindern und hielt die Grabrede für Luther. Wieder was gelernt!
    St. Andreas Die Bronzetür im Westportal
    Stinkende Pforte Gasse zur »Stinkenden Pforte«

    Auf dem Weg zum Hildesheimer Dom Mariä Himmelfahrt mussten wir durch eine schmale Gasse gehen und da fiel uns ein Schild auf mit der Aufschrift :

    Die Stinekenpforte


    Was hat es damit auf sich? Eine anrüchige, aber einfache Erklärung - hier flossen einst die Fäkalien der Domherren in die Treibe.

    Und dann stehen wir vor dem Dom und ich suche die Bronzetür - vergeblich. Aber die Sache klärt sich auf, als wir das Innere des Doms betreten. Man hat die Türflügel aus konservatorischen Gründen mit der Bildseite nach innen angebracht.

    Der barocke Vierungsturm

    Der Dom wurde ab 872 unter einem Bischof Altfrid als dreischiffige, romanische Basilika erbaut. Im Inneren erkennt man ein frühes Beispiel des »Niedersächsischen Stützenwechsels«. Bis zum 14. Jahrhundert erfolgten weitere tiefgreifende Bauveränderungen, ohne dass jedoch vom Grundriss des Altfrid-Baus abgewichen wurde. Aus gotischer Zeit stammen die Seitenkapellen der Nord- und Südseite. Im Bild unten links erkennt man deutlich die romanischen Elemente im Westwerk und die gotischen Elemente in den Seitenflügeln. Der Vierungsturm ist barock (rechts).

    Nordseite des Domes

    Im Inneren sind zwei Objekte erwähnenswert - zum einen die sog. Bernwardstür (2 Bilder unten ), eine gegen 1015 entstandene zweiflügelige Bronzetür im Westportal. Ihr reicher biblischer Figurenschmuck stellt Szenen aus dem 1. Buch Mose und dem Leben Jesu Christi einander gegenüber. Sie stellten dem Ankommenden die »porta salutis, die Tür zum Heil vor Augen. Die Tür hat ihren Namen nach dem Bischof Bernward von Hildesheim (983–1022) und gilt als eines der Hauptwerke der ottonischen Kunst.

    Erwähnenswert ist ausserdem der sog. Hezilotleuchter (2.Reihe unten links). Der Leuchter symbolisiert die endzeitliche Vision der aus dem Himmel Gottes herabkommenden heiligen Stadt, das »Himmlische Jerusalem« mit seinen 12 Toren, wie es der Text der Offenbarung des Johannes schildert (Offenbarung 21-22). Der Radleuchter wurde von Bischof Hezilo (1054-79) für den von ihm wiederaufgebauten Hildesheimer Dom in Auftrag gegeben. Durch die dunkel gestrichene, kaum sichtbare Tragkonstruktion schien der Leuchter zu schweben und damit tatsächlich »vom Himmel herabzukommen«.
    Bernwardstür Bernwardstür / Detail
    Hezilotleuchter Der »1000-jährige Rosenstock«

    Es gibt noch eine dritte Sehenswürdigkeit am Dom und das ist der sog. 1000 - jährige Rosenstock (oben rechts), der an der Ostapsis des Domes steht. Ob er wirklich so alt ist, ist umstritten. Aber es gibt eine schöne Legende um und über ihn:

    Dieser Legende nach hielt sich Kaiser Ludwig der Fromme um das Jahr 815 auf seiner Pfalz in Elze auf. Von dort aus ging er auf die Pirsch, kam dabei in die Gegend des heutigen Hildesheim uns ließ auf einem Hügel im Wald seine Zelte aufschlagen und Gottesdienst feiern. Dazu waren aus der höfischen Kapelle eigens Reliquien mitgenommen worden. Nach der Rückkehr zur Pfalz erinnerte sich der Hofkaplan daran, dass er das Reliquiengefäß in einem Gebüsch vergessen hatte. Er eilte zurück und fand das kostbare Reliquiar, konnte es aber trotz aller Bemühungen nicht aus den Ranken der wilden Heckenrose lösen.

    Ludwig der Fromme ließ an dieser Stelle eine Kapelle errichten und legte die Ranken des Rosenstrauches um den Bau. Bischof Altfrid (851-874) legte hier im Jahr 852 n. Chr. den Grundstein für den Dom.
    St. Michaelis Langhausdecke mit dem »Baum Jesse« / Gebundenes System rechts

    Ebenfalls zum UNESCO - Weltkulturerbe zählt die Kirche St. Michael (oben links). Zu Beginn des 11. Jahrhunderts von Bischof Bernward als seine Grabeskirche begonnen und unter Bischof Godehard fertiggestellt. Die Kirche gilt als frühester durchgängig im Gebundenen System errichteter Kirchenbau (oben rechts). Die Bilder der Langhausdecke zeigen den Baum Jesse, den Stammbaum Christi (2. Reihe unten links ein Detail: Der Sündenfall); die Engelschorschranke (1194-97) in der Vierung vor dem Westchor (unten links) und die filigranen romanischen Kapitelle (unten rechts) sind weitere Besonderheiten in dieser - inzwischen evangelischen - Kirche.
    Die Engelchorschranke Ein romanisches Kapitel
    Der Sündenfall

    Nach diesem kompakten Geschichtsunterricht gönnten wir uns eine ausgiebige Kaffeepause, bevor wir nach Braunschweig weiterfuhren. Dort warteten im Hotel Seela, Messeweg 41, Tel. 0531 / 37001162 ein Zimmer und ein leckeres Abendessen auf uns. Und nachdem wir uns ausgeschlafen und ausgiebig gefrühstückt hatten, machten wir uns auf, um Braunschweig kennenzulernen. Stadtwappen von Braunschweig Das Plakat zur Ausstellung

    Hier wollten wir vor allem die Ausstellung über Kaiser Otto IV. - dem einzigen Welfen auf dem römisch/deutschen Kaiserstuhl - besuchen und so führte uns unser Weg direkt zum Burgplatz. Am Burgplatz befindet sich u.a. das Braunschweigische Landesmuseum im sog. Vieweg - Haus, so benannt nach dem früheren Besitzer Vieweg und dem Vieweg - Verlag, der in diesem Haus beheimatet war. Zum Museum gehört auch die Burg Dankwarderode (unten links), direkt gegenüber. Und davor steht Braunschweigs berühmtestes Denkmal - der Braunschweiger Löwe (unten rechts). Den Beinamen »Löwe« hatte bekanntlich Heinrich (um 1129/1130 oder 1133/35 - 1195), der Vater Ottos IV.. Die Burg Dankwarderode Das Löwendenkmal auf dem Burgplatz
    Der Dom mit einer der 4 Sonnenuhren Secco-Malerei in der Apsis / Christus Pantocrator

    An der Südseite des Domes (links) erkennt man die romanischen Einflüsse an Turm und Langhaus und die gotischen Einflüsse am Seitenschiff.

    Das Kreuzschiff, der hintere Teil des Langhauses und die Apsidien (rechts) wurden zwischen 1230 und 1250 mit sog. Secco - Malereien ausgestattet, von denen heute noch der grösste Teil erhalten ist, nachdem sie 1845 unter einer Übermalung wieder entdeckt worden waren. Seccomalerei bedeutet Trockenmalerei, kommt vom italienischen al secco (aufs Trockene) und ist die Bezeichnung für eine Wandmalerei, die - im Gegensatz zum Malen al fresco - nicht auf den frischen, noch feuchten Kalkputz, sondern auf das schon trockene Mauerwerk aufgebracht wird - man lernt einfach nie aus !
    Grablege Heinrichs und Mathildes Säulen im »Perpendicular Style«

    Nach dem Museum ging es gleich nebenan in den Dom, der 1173 als Kollegiatsstiftskirche von Heinrich dem Löwen gestiftet wurde und den er zur Grablege für sich und seine 2. Gemahlin Mathilde von England bestimmte (oben links). Zu deren Füßen wird das Grab Ottos IV. und seiner Gemahlin Beatrix durch eine Bodenplatte angezeigt (links).

    Im nördlichen Seitenschiff sind die Säulen im sog. Perpendicular Style, einem für England typischen Stil der Spätgotik angelegt (oben rechts). Hier befindet sich an der Ostwand auch das Imervard-Kreuz aus dem 12. Jahrhundert (unten links). Es ist älter als der Dom, stammt es - vermutlich - doch aus dem Jahr 1150. Wie in romanischer Zeit üblich, wird hier kein leidender, sondern ein triumphierender und bekleideter Christus dargestellt. Auf dem Gürtel des Gekreuzigten ist die lateinische Inschrift »IMERVARD ME FECIT« zu lesen was Imervard hat mich geschaffen bedeutet.
    Das Imervard Kreuz Christel bestaunt den Siebenarmigen Leuchter

    Ein weiteres wertvolles Ausstattungsstück des Domes ist der Siebenarmige Leuchter (oben rechts), der mit seinen fast 5 Metern Höhe stolze 400 kg wiegt. Es gibt auf der Welt nur noch 3 solcher Leuchter - in Essen, in Klosterneuburg und in Mailand. Man nimmt an, dass der Stifter des Domes - Heinrich der Löwe - den Leuchter für das Grab seiner kurz zuvor verstorbenen Gemahlin Mathilde stiftete.

    Jetzt noch eine Bilderfolge:

    1) Die Säule »2000 Jahre Christentum« 2) Huneborstelsches und Veldheimsches Haus 3) Altes Zoll- und Landwehrhaus 4) Altstadtrathaus 5) St. Martini 6) Residenzschloß mit Brunonia-Quadriga
    Die Säule 2000 Jahre Christentum Huneborstelsches und Veldheimsches Haus
    Altes Zoll- und Landwehrhaus Altstadtrathaus
    St.Martini Residenzschloß mit grösster Quadriga Deutschlands
    Heute morgen hiess es kratzen...

    Gegen 16.00 Uhr fuhren wir von Braunschweig los und erreichten unser nächstes vorgebuchtes Hotel, das RAMADA - Hotel Bären in Goslar, Krugwiese 11a, Tel. 05321 / 782-0. Wir hatten über HRS gebucht und können das Hotel (Zimmerpreis ohne Frühst. 70,- €) durchaus empfehlen, wenn das Auto einen Navi hat - das Hotel ist nicht ganz leicht zu finden, zumal bei Dunkelheit! Dafür kann man kostenlos parken und da unser Auto im Freien stand, mussten wir am nächsten Morgen kratzen (rechts). Es war mächtig kalt geworden! Stadtwappen von Goslar

    Frisch gestärkt, wenn auch ohne das 14,- € teure Hotelfrühstück fuhren wir in die Stadt, suchten uns ein gemütliches Café und frühstückten ausgiebig für 6,50 €, bevor wir zu einem Rundgang durch das tausendjährige Goslar, das zu den Weltkulturerbestätten der UNESCO zählt, aufbrachen. Offiziell wurde Goslar im Jahr 922 von Kaiser Heinrich I. (919-36) gegründet - die Bezeichnung »tausendjährig« führt man also zu Recht - und schon wenig später, nämlich im 11. Jahrhundert, liess Heinrich II. (1002-24) die Kaiserpfalz errichten. Grund waren die nahen, reichhaltigen Silberbergwerke im Rammelsberg.
    Hotel Kaiserworth Das Goslarer Rathaus
    Goslarer Nagelkopf und Stadtkirche

    Vom Marktplatz gehen wir am Hotel Kaiserworth mit dem Dukatenmännchen (oben links und Mitte) und am Rathaus (oben rechts), dem Nagelkopf-Denkmal und der Marktkirche St. Cosmas und Damian (rechts), weiter an der Domvorhalle (2. Reihe unten links) vorbei und dann liegt sie vor uns, die Kaiserpfalz (2. Reihe unten rechts). Hier schliessen wir uns einer Führung an und erfahren dabei viel über die Geschichte der Pfalz und besonders über die Bilder des Sommersaales, die ein Hermann Wislicenus (1825-99) mit Bildern aus der deutschen Geschichte, sowie aus Märchen und Sagen ausgemalt hat. Unten ist das Gemälde vom Reichstag zu Worms mit Luther vor Kaiser Karl V. zu sehen. Reichstag zu Worms

    Die Goslarer Kaiserpfalz ist der größte, älteste und zugleich besterhaltene Profanbau des 11. Jahrhunderts in Deutschland. Er diente insbesondere den Salierkaisern zwischen 1024 und 1125 als bevorzugte Aufenthaltsstätte. Das Gebäudeensemble der Kaiserpfalz hat bereits im 11. Jahrhundert derart beeindruckt, dass der Chronist Lampert von Hersfeld vom »berühmtesten Wohnsitz des Reiches« sprach. Die Führung sollte man nach unserer Meinung unbedingt mitmachen!
    Domvorhalle Christel vor der Kaiserpfalz

    Die Bilder 1 - 3 zeigen Motive an der Goslarer Abzucht, die im Stadtteil Oker in die Oker mündet; Bild 4 zeigt das Hotel Brusttuch. An der Abzucht An der Abzucht
    An der Abzucht Das Brusttuch

    Die Bilder 5 - 7 zeigen Bilder aus der Goslarer Altstadt, Bild 8 zeigt das Innere der Kirche St. Jakobi

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    Wernigerode / Rathaus

    Goslar bietet - wie man sieht - eine schier unendliche Zahl an Fotomotiven. Die Fachwerkhäuser mit den fantasievollen Verzierungen, die Kirchen, aber auch die Einkaufsstrassen lassen diese Stadt zu einem Erlebnis werden. Welches wir ausgiebig geniessen. Und dabei sind wir hier noch garnicht auf der Strasse der Romanik, genauso wenig, wie in Wernigerode, unserem nächsten Ziel.

    Am Fusse des Brockens - mit stolzen 1140 Metern der höchste Berg im Norden Deutschlands - gelegen, befindet sich hier bei Wernigerode die Wasserscheide zwischen Weser und Elbe. 1121 erstmals urkundlich erwähnt, liegt die genaue Entstehung des Ortes mangels schriftlicher Quellen im Dunkel der Geschichte. Am 17. April 1229 wurde der Siedlung das Stadtrecht verliehen. Von 1807 bis 1813 gehörte Wernigerode zum damaligen Königreich Westphalen, bevor es der preußischen Provinz Sachsen zugeordnet wurde. 1825 kam die Stadt zum Regierungsbezirk Magdeburg, wurde im März 1847 von einem grossen Brand stark zerstört, bevor dann in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts der Tourismus zusammen mit einer Industrialisierung zu einem wirtschaftlichen Aufschwung führte. Der Westerntorturm von 1279 Stadtwappen von Wernigerode

    Es war weiterhin sehr kalt, der kräftige Wind machte die Kälte doppelt spürbar. Trotzdem machten wir einen kleinen Stadtrundgang, beginnend am Rathaus (oben links) und weiter durch die malerische Altstadt zum Westerntorturm (links). Dieser 41 Meter hohe gotische Turm war der Aus- bzw. Eingang zur Stadt von Westen. Er wird 1279 erstmals urkundlich erwähnt, denn zu dieser Zeit kaufte die wohlhabende Bürgerschaft dem Grafen die gesamte Stadtbefestigung ab und konnte von nun an selber die Zölle erheben. Er diente aber auch als Schuldenturm und hinein musste, wer seine Schulden nicht bezahlen konnte.

    Hier kam auch die schnaufend durch den Ort fahrende Harzer Schmalspurbahn zu unserem Empfang mit Läuten und Pfeifen angerauscht (unten rechts).
    Brockembahn

    Dann besuchten wir die Stiftskirche St. Georgii und St. Sylvestri. Die gotische Basilika wurde erstmals im Jahr 1230 als Kirche St. Georg urkundlich erwähnt und 1265 zum Benediktiner-Chorherrenstift St. Sylvestri umgewandelt, das 1539 im Zusammenhang mit dem reformationsbedingten Religionswechsel der Grafschaft wieder aufgelöst wurde. In der Gruft der Kirche befindet sich die Grablege der Grafen von Wernigerode und die derer von Stolberg-Wernigerode.

    Im Chor bewundern wir einen geschnitzten Flügelaltar (unten links), der um 1480 in einer Brüsseler Werkstatt entstand. Die filigranen Schnitzereien zeigen religiöse Motive, darunter die Geburt Jesu, die Beschneidung, die Anbetung, die Trauung von Maria und Josef und die heiligen drei Könige mit ihrem Gefolge. Das Kruzifix über dem Altarschrein stammt aus dem 13. Jahrhundert.

    Im linken Seitenschiff erinnert ein Epitaph aus dem Jahr 1590 (rechts) an den Stadthauptmann Dietrich von Gadenstedt, der am 13. Januar 1586 im Alter von 75 Jahren verstarb. Er diente 52 Jahre den Grafen zu Stolberg-Wernigerode
    Flügelaltar in St. Sylvestri Epitaph im westl. Seitenschiff

    An der Kirche fotografierten wir diese malerischen Fachwerkhäuser, die am Oberpfarrkirchof stehen (unten links). Häuser am Oberpfarrkirchhof Rosen- oder Demutsgasse

    Zum Oberpfarrkirchhof konnte man von der Stadtmauer aus durch diese kleine Gasse gelangen (rechts). Man nennt den schmalen Gang auch Rosen- Rosmarin- oder Demutsgasse. Dieses kleine Gässchen existierte schon vor 1500, also länger, als der Oberpfarrkirchhof. Jedoch kommt der Name nicht von wohlriechenden Rosen oder Rosmarin. Der gute alte Wernigeröder Humor verlieh dieser kleinen Gasse den Namen für die damaligen schlechten hygienischen Verhältnisse und Unsauberkeiten. Die Bezeichnung Demutsgasse verwies damals auf die Stiftherren, die hier - wenig demütig - durch den Gang ihren Damenbesuch empfingen !

    Wer hätte so etwas für möglich gehalten?

    Gut Voigtländer/Eingang Unser Appartement

    Wir sind entsetzt und flüchten eilenden Fusses nach Blankenburg, wo wir im Hotel Gut Voigtländer in Blankenburg, Am Thie 2, Tel.03944 / 36610 - wieder über HRS - für 2 Nächte gebucht hatten. Von hier aus wollten wir dann morgen, am Sonntag, nach Quedlinburg, Gernrode und Halberstadt fahren. Aber erstmal richteten wir uns in unserem ziemlich grossen Appartement ein und packten die Koffer aus, um dann ein sehr schmackhaftes Abendessen im rustikalen Speissaal einzunehmen.
    Schloßberg mit Stiftskirche Stadtwappen von Quedlinburg

    Am nächsten Morgen starten wir dann bei gutem, aber wieder kaltem Wetter Richtung Quedlinburg. Dort angekommen, haben wir gleich vom gebührenpflichtigen Parkplatz aus diesen Blick auf den Schloßberg und die romanische Stiftskirche St. Servatius mit ihren Doppeltürmen (links) und dem mächtigen Langhaus. Wie ein Wahrzeichen wacht diese mehr als tausendjährige Kirche auf dem Sandsteinfelsen als steinerner Zeitzeuge jener Epoche vor 1000 Jahren über der Stadt. Und uns fällt wieder ein, dass hier in Quedlinburg Heinrich der Vogler während der Finkenjagd, die sein Hobby war, von seiner Wahl zum deutschen König erfuhr. Die Stelle, wo er der Überlieferung nach diese Nachricht bekam, heisst heute Finkenherd - ein kleines Schild an einem Haus erinnert daran. Man findet es beim Aufstieg zum Schloßberg (unten links u. rechts).
    Auf dem Weg zur Kirche Finkenherd
    Äbtissinnen Wohnraum

    Da die Kirche noch geschlossen war, besuchten wir zunächst das in dem ehemaligen Renaissanceschloß eingerichtete Schloßmuseum, die ehemaligen Wohn- und Wirtschaftsräume der Äbtissinnen und Bediensteten des Quedlinburger Damenstiftes (rechts). Das Schloß stammt aus dem 16. / 17. Jahrhundert und befindet sich direkt gegenüber der Kirche.

    Dieses Fragment eines frühchristlichen Grabsteins (vermutlich aus dem 7. Jahrhundert) stammt von der Wüstung Marsleben (unten links). Das Gelände dieser Wüstung liegt nordwestlich von Quedlinburg, der Stein befand sich dort in einem Grab, das vermutlich im 8. / 9. Jahrhundert angelegt wurde. Er ist eines der ältesten Zeugnisse für die Verbreitung des christlichen Glaubens im nördlichen Harzvorland.

    Rechts ist der Raubgrafenkasten aus dem 14. Jahrhundert zu sehen. Er war zeitweilig ein Gefängnis für Graf Albrecht II. von Regenstein. Aus dem 16. Jahrhundert stammt der sog. Prügelstock daneben. Diese Objekte sieht man beim Rundgang durch das Schloßmuseum.
    Fragment eines frühchristlichen Grabsteines Dieser Kasten war ein Gefängnis !

    Inzwischen war es 14.00 Uhr und die Kirche wurde für die recht umfangreich gewordene Gruppe Wartender geöffnet. Hier zwei Bilder der Kirche von aussen: Die romanische Schlosskirche Chor mit gotischen und Querschiff mit romanischen  Bauteilen
    Innenraum und Chor

    St. Servatius – auch als Quedlinburger Dom und als ein »Denkmal hochromanischer Baukunst« bezeichnet – ist den Heiligen Dionysios und Servatius geweiht. Die dreischiffige Basilika war die Kirche des Quedlinburger Damenstiftes. Die jetzige Kirche wurde im Jahr 1129 in Anwesenheit Kaiser Lothars III. geweiht und gehört seit 1994 zum Welterbe der UNESCO. Der romanische Kirchenraum ist durch den niedersächsischen Stützenwechsel (links) und einen imposanten Relieffries gekennzeichnet. Die Kirche diente den Stiftern Heinrich I. und seiner Gemahlin Mathilde sowie den Quedlinburger Äbtissinnen als Grablege.

    Die romanischen Kapitelle zeigen Tier- und Pflanzenmotive (unten links und rechts). An einer Aussentür entdeckten wir diesen Türgriff in Form eines »Schweinehundes« (unten Mitte). Der Hohe Chor wurde bis 1320 im gotischen Stil umgebaut, von den Nationalsozialisten in ihrem Wahn wieder "gotisiert".
    Romanisches Kapitell Ein Türgriff in Form eines »Schweinhundes« Kapitell mit Adlermotiv

    Unter der Kirche befindet sich ein ottonisches Kellergewölbe (unten links), in dem auch der Sarkophag der Königin Mathilde steht. Wie in späteren Jahren bestattet wurde, zeigt das rechte Bild einer Doppelbestattung. Hier wurden ein Erwachsener und ein Kind nebeneinander liegend bestattet. Ottonisches Kellergewölbe Eine Dopppelgrablege

    Etwas Quedlinburger Geschichte in Kurzfassung.

    Bedeutung erlangte Quedlinburg, als es im 10. Jahrhundert die Königspfalz wurde, an der die ottonischen Herrscher das Osterfest feierten. Erstmals wurde es als villa quae dicitur Quitilingaburg in einer Urkunde König Heinrichs I. vom 22. April 922 erwähnt. Auf dem Oster-Hoftag 966 wurde Ottos Tochter Mathilde mit der Leitung des Damenstiftes betraut. Zwei Jahre später, am 14. März 968, starb ihre Großmutter und wurde an der Seite ihres Gemahls bestattet. Ihr Grab und ihr steinerner Sarkophag sind erhalten geblieben, während Heinrichs Grablege leer ist.

    In den Jahren 1938 bis 1940 erfolgte die „Wiederherstellung“ des romanischen Chors im Innern – von außen blieb das gotische Erscheinungsbild des Chorraums unverändert. In dieser Zeit von 1938 bis 1945 war die Kirche von der SS unter dem Reichsführer SS Heinrich Himmler besetzt und kein Gotteshaus, sondern eine „Weihestätte“ der SS. Reliquienkasten Ottos I. Bergkristall-Flakon aus dem 10. Jhdt.

    Der Quedlinburger Domschatz ist in den Querarmen des Hohen Chores ausgestellt. Heinrich I. brachte die ersten Reliquien an die Kirche. Einer der bedeutendsten Reliquienkästen ist das Servatiusreliquar, der sog. Reliquienkasten Ottos I. (um 1200) mit einem Elfenbeinrelief aus dem 9. Jahrhundert (links). Weitere bedeutende Schätze sind der sog. Kamm Heinrichs I., ein Textblatt aus der Quedlinburger Itala, dem ältesten erhaltenen Zeugnis einer illustrierten Bibelhandschrift Ende 4./Anfang 5. Jahrhundert, der Große Bergkristall- Flakon (10. Jhdt./rechts), das karolingische Samuhel-Evangeliar, welches die beiden Hauptpatrone des Stifts darstellt, Servatius und Dionysius, sowie der sog. Kana-Krug, ein Alabastergefäß aus dem 1. Jahrhundert. Einzigartig in der europäischen Kunstgeschichte sind die Fragmente des Quedlinburger Knüpfteppichs (um 1200).


    Auf unserem Weg vom Schlossberg hinunter in die Stadt kamen wir an der Kirche St. Blasii (unten links) vorbei und mit einer Dame ins Gespräch, die diese Kirche bestens kannte. So erfuhren wir, dass St. Blasii erstmals 1222 in einer Urkunde erwähnt wurde, ein Vorgängerbau sogar aus dem 10. Jahrhundert stammte (Reste davon befinden sich im heutigen Turm). Etwa um 1700 wurde die Kirche im Stil des Barock umgestaltet. Wir fanden im Inneren das Kirchengestühl bemerkenswert (unten rechts) St. Blasii Interessantes Kirchengestühl
    Quedlinburg / Rathaus mit Rolandsfigur Rolandsfigur am Rathaus

    An der Südseite des grossen Marktplatzes steht das Renaissance Rathaus (links). Bemerkenswert ist an diesem Bau u.a., dass es schon im 13. / 14. Jahrhundert aus Steinen gebaut wurde. Die meisten Häuser dieser Zeit in Quedlinburg sind nämlich Fachwerkbauten - die Altstadt von Quedlinburg mit fast 1300 Fachwerkhäusern aus mehreren Jahrhunderten ist somit eines der größten Flächendenkmäler von Deutschland. Vor dem Rathaus steht eine Rolandsfigur (rechts).

    Und nebenbei erfahren wir, dass es in Quedlinburg auch eine Donndorfstrasse gibt - wie dieses ? Nun, ein Johann August Donndorf lebte hier von 1754 bis 1837 und war Gymnasialdirektor und Bürgermeister.
    St. Wiperti / Seitenportal

    Jetzt wollten wir auch noch die St. Wiperti Kirche anschauen. Sie liegt etwas ausserhalb von Quedlinburg und wir fanden sie erst nach einigem Suchen. Fotografieren konnten wir die Kirche nur von aussen (unten) und das Seitenportal (rechts), am Chor war aussen ein Gerüst aufgebaut und innen wurde auch renoviert - die Kirche war verschlossen. Dabei hat sie nicht nur eine schöne Krypta, sondern auch eine interessante Geschichte. St. Wiperti

    Schon im 9. Jahrhundert vom Kloster Hersfeld gegründet, brachte Herzog Otto der Erlauchte (vor 877-912) die Kirche zwischen 902 und 912 in den Besitz der Liudolfinger. Sein Sohn Heinrich I. hat diese erste Kirche abbrechen lassen, eine Saalkirche errichtet und das Gelände zum Königshof der Ottonen (von 936 bis 1146) ausbauen lassen. Die romanische Krypta stammt aus der Zeit um 1020. Um 1150 wird das Chorherrenstift in ein Prämonstratenserkloster umgewandelt, das 1547 aufgelöst wird. Erst evangelische Kirche, wird die Kirche später als Scheune, die Krypta als Milchkeller genutzt. Ab 1954 übernimmt eine katholische Gemeinde die Kirche zur gottesdienstlichen Nutzung.
    St. Cyriacus / Gernrode St. Cyriacus / Mittelschiff

    Spätesten jetzt merken wir, welches Mammutprogramm wir uns vorgenommen haben. Ganz schnell verlassen wir Quedlinburg, um nach Gernrode und dort zur romanischen Stiftskirche St. Cyriacus (links) zu gelangen. Diese rein romanische Kirche wurde 961 erstmals erwähnt und gilt heute als »eines der bedeutendsten ottonischen Architekturdenkmale in Deutschland«. Ihr Bau geht auf eine Klostergründung im Jahr 959 zurück, als der Markgraf Gero (der Große / um 900-965) in seiner Burg Geronisroth ein Damenstift einsetzte. Diese Stiftung wurde 961 von Otto I. bestätigt.

    Die Kirche - eine kurze dreischiffige Basilika mit Stützenwechsel - war vermutlich zunächst den Stiftspatronen Maria und Petrus gewidmet. Nachdem sie jedoch eine Armreliquie des Heiligen Cyriakus erhalten hatte, die Gero vermutlich bereits 950 in Rom zunächst für die Abtei Frose erworben hatte, wurde dieser Heilige Patron von Stift und Kirche. Gero wurde in der Vierung der Kirche beigesetzt.
    St. Cyriacus / Ostapsis Der Taufstein

    Ein romanischer Taufstein (rechts), der um 1150 gefertigt wurde, steht im westlichen Mittelschiff. Er gehörte nicht zur Ausstattung der Stiftskirche, sondern stammt aus der abgerissenen Kirche von Alsleben und wurde 1865 nach Gernrode gebracht.

    An den Rundbogennischen der Außenseiten ist der Taufstein mit figürlichen Reliefs ausgestattet, die das Leben Christi darstellen, die Kreuzigung und den Salvator Mundi sowie Himmelfahrt und Geburt Christi. Die Umsetzung der Darstellung erfolgte jedoch nur mit begrenztem künstlerischen Vermögen, beispielsweise stimmen die Proportionen der Figuren nicht.

    Im südlichen Seitenschiff befindet sich das wohl älteste Heilige Grab Deutschlands (unten links). Zum Schluss noch ein Blick in die Krypta mit den typisch romanischen Würfelkapitellen (unten rechts).
    Das Heilige Grab Blick in die Krypta
    Stadtwappen von Halberstadt

    Halberstadt war als nächstes und letztes Ziel für heute noch angesagt, besitzt es doch mit seinem Dom St Stephanus (unten links) und der viertürmigen romanischen Liebfrauenkirche (zweite Reihe unten links) zwei herausragende Denkmäler mittelalterlicher Baukunst. Doch zunächst St. Stephanus - diese Kirche ist einer der wenigen großen Kirchenbauten des französischen Kathedralschemas in Deutschland. Trotzdem muss man fragen, was diese hochgotische Kathedrale an der Strasse der Romanik verloren hat?

    Drei Dinge führt der offizielle »Kunstreiseführer« dazu an: 1. Den romanischen Vorgängerbau aus dem 9. Jahrhundert und die 2. folgenden Bauetappen. Schliesslich 3. den Domschatz, der seine weitgehende Erhaltung wohl überwiegend der Reformation im Jahre 1591 verdankt. Durch die protestantische Liturgie wurden viele Gegenstände des katholischen Ritus überflüssig und wurden der gottesdienstlichen Nutzung und Abnutzung entzogen. Das Domkapitel war - ein Kuriosum in der deutschen Bistumsgeschichte - konfessionell gemischt, es gab also evangelische und katholische Domherren. Der katholische Teil war natürlich auf den Erhalt der alten Kleinodien bedacht, der evangelische hätte sicher gerne das eine oder andere Stück veräußert. Halberstadt/Dom St. Stephanus St. Stephanus/Taufbecken

    Die äußerlich burgartige Liebfrauenkirche ist eine der drei - ausschließlich evangelischen - Hauptkirchen Halberstadts. Sie ist die

    einzige viertürmige Basilika aus der Zeit der Romanik in Mittel- und Norddeutschland.
    2005 feierte die sie ihren 1000. Geburtstag!

    Die kreuzförmige, dreischiffige Pfeilerbasilika entstand unter Bischof Rudolph, der sie 1146 weihte. Im hochromanischen Stil erbaut, ist sie »in ruhigen, ausgewogenen Formen klar gegliedert«, wobei besonders die Grundrissplanung vom sog. Hirsauer Bauschema beinflusst ist (she. Kasten am Ende des Berichts). Halberstadt/Liebfrauenkirche Liebfrauenkirche/Mittelschiff
    Halberstadt/Rathaus

    Jetzt ging es auf den Abend zu, es wurde nicht nur dämmrig, sondern es blies uns auch ein schneidend kalter Wind um die Ohren. Trotzdem gingen wir von der Liebfrauenkirche mal hinunter in die Stadt - aber nur, um sofort wieder umzukehren, denn beim ersten Augenschein schien sich hier kein besonderes Stadtbild zu zeigen. Also sind wir den Hügel bzw. die Treppe zum Domplatz wieder hinaufgestiegen und am Dom vorbei - die Domschatz-Ausstellung war schon geschlossen - zum Rathaus (rechts) gegangen. Dort wärmten wir uns in einem Café erstmal wieder auf, bevor wir zu unserem Hotel in Blankenburg fuhren.

    Alles geht einmal zu Ende und so kommt auch für uns mit dem Montag der letzte Tag vor der Heimreise. Heute werden wir über Kloster Gröningen nach Magdeburg, dem Endpunkt unserer Reise, fahren. Ein letzter Blick auf den gepflegten Innenhof dieses ehemaligen Gutshofes (unten links), bevor wir unsere Koffer die steile Treppe hinunter zum Wagen bringen. In diesem 4 - Sterne - Hotel haben wir uns ausgesprochen wohl gefühlt. Ich besonders, gab es auf dem Frühstücksbuffet doch Harzerkäse - Herz, was willst du mehr ?
    Innenhof des Hotels Gut Voigtländer Reste eines Arkadenbogens

    Schnell ist der Abzweig von der Hauptstrasse hinein in den kleinen Ort Gröningen erreicht. Vor dem Tor zum Klostergelände erwartet uns ein Mann im Regen, der uns dann - ganz unerwartet - die Kirche ausführlich zeigt und beschreibt. Fotografieren ist nämlch untersagt !

    Kloster Gröningen war ein Benediktinerkloster auf dem Gebiet der heutigen Stadt Gröningen, das 936 vom Kloster Corvey aus gegründet wurde und bis zur Auflösung 1550 bestand. Betritt man das Gelände, fällt sofort der mächtige, oktogonale Vierungsturm der ehemaligen Klosterkirche St. Vitus auf (unten links). An der nördlichen Aussenwand sind Kapitell im Mauerwerk zu erkennen - was hat es damit auf sich ? Im 19. Jahrhundert musste man die nördlichen Seitenschiffe wegen Baufälligkeit entfernen, die Pfeiler mit den Kapitellen und einige Arkadenbögen blieben erhalten und bilden jetzt die Aussenwand (rechts und unten rechts).
    Der oktogonale Vierungsturm Kapitellreste an der Aussenwand

    Diese Bilder (unten) zeigen zweimal die »Gröninger Empore« - links das leicht beschädigte Original, rechts eine Nachbildung dieses romanischen Stuckreliefs (Kopie einer Postkarte), wie sie heute in der Kirche zu sehen ist. Das Original befindet sich seit 1902 in der Skulpturensammlung des BODE - Museums in Berlin und dort hatte ich es wenige Wochen vorher gesehen, als ich mit dem Bundeswehr-Freundeskreis in der Hauptstadt war. Das kleine Bild unten links zeigt ein Relief mit einem stehenden Engel mit segnend empor gehaltenen Händen, das in den nordwestlichen Vierungspfeiler neben einem Ecksäulchen 1220 eingemauert wurde. Gröninger Empore/Original Gröninger Empore/Nachbildung
    Segnender Engel Stadtwappen von Magdeburg

    Von Gröningen aus führt unser Weg auf der B 81 nach Nordosten über Kroppenstedt nach Magdeburg, dass wir gegen Mittag bei nasskaltem Wetter erreichen. Von Blankenburg aus hatte ich im Best Western Hotel "Geheimer Rat", 39108 Magdeburg, Goethestraße 38, Tel. 0391 / 73803 vorgebucht und so konnten wir gleich in die Ausstellung Aufbruch in die Gotik - Der Magdeburger Dom und die späte Stauferzeit - gehen, die im Kulturhistorischen Museum gezeigt wurde. Parken konnten wir in der Tiefgarage des neuen Einkaufzentrums, in dem ich auch schon während meiner letzten Elberadtour war. Bei dieser Gelegenheit möchte ich einfügen, dass sich die Magdeburger Innenstadt sehr zum Vorteil verändert hat.
    Magdeburger Dom

    Nach der Ausstellung also zum Dom. Der Dom zu Magdeburg St. Mauritius und Katharina - kurz Magdeburger Dom - ist als ehemalige Kathedrale des Erzbistums Magdeburg auch die Grabkirche Kaiser Ottos I. und seiner 1. Gemahlin Editha. Er ist das älteste gotische Bauwerk auf deutschem Boden ! Und wieder stellt sich die Frage, was eine gotische Kathedrale auf der Strasse der Romanik zu suchen hat ? Das ist keineswegs paradox, denn dieser Dom »bewahrt sehr wohl hinter Weiträumigkeit und Monumentalität bemerkenswerte romanische Schätze« - so wieder der offizielle Kunstreiseführer der Strasse der Romanik. Ob das Paar in der kleinen Heilig-Grab-Kapelle wirklich Otto I. und Editha darstellt (unten Mitte), oder - nach neuester Auffassung - Jesus Christus und die Heilige Kirche, ist umstritten. Das rechte Bild zeigt aber eindeutig den Patron des Doms, den Heiligen Mauritius. Aussage umstritten
    Grab Otto d. Gr.

    Während das Grab Ottos I. eindeutig links zu sehen ist, sorgte in letzter Zeit eine Meldung nicht nur in der Fachwelt für Aufmerksamkeit - angeblich war der Bleisarg mit den sterblichen Überresten der Königin Editha (910-946) bei Ausgrabungsarbeiten am Dom gefunden worden. Sie war zunächst im Mauritiuskloster bestatten worden, an dessen Stelle heute der Dom steht. Aber dieses Grabmal ist ein Scheingrab (Kenotaph) und wurde erst 1510 geschaffen. In diesem Grab wurde nun ein älterer Steinsarg entdeckt und in diesem befand sich ein kleiner Bleisarg (unten), der lt. Inschrift (ganz unten) die sterblichen Überreste der Königin beinhalten soll. Ein endgültiges Ergebnis der Untersuchungen des Inhalts (Stand: März 2009) steht allerdings noch aus. Edithas Bleisarg ?
    Deckelaufschrift auf dem Bleisarg

    Hier nun die versprochene Erklärung zum »Hirsauer Bauschema«:

    Was verbirgt sich hinter der Bezeichnung »Hirsauer Bauschema«?

    Das Hirsauer Bauschema - auch Hirsauer Bauschule genannt - hängt eng zusammen mit der sog. Cluniazensischen Reformbewegung. Das war eine vom burgundischen Benediktinerkloster Cluny ausgehende geistliche Reformbewegung des Hochmittelalters, die zuerst das Klosterleben und dann das Papsttum erfasste. Der Hauptgedanke der Reform war eine strenge Beachtung der Benediktsregel und damit eine Vertiefung der Frömmigkeit des einzelnen Mönches. Diese Bewegung erfasste auch deutsche Klöster und damit auch deren Kirchenbau. Vorreiter war das Kloster Hirsau im Schwarzwald.

    Die Reformgesinnung kommt beim Kirchenbau durch die streng und schlicht durchgebildeten, flachgedeckten Kirchenräume ohne Krypta zum Ausdruck. Dieser Grundriss könnte als klassisch romanisch bezeichnet werden. Deutlich markiert die Vierung der Kirche das Maß aller Dinge, Chor und Querschiffarme nehmen die Vorgabe des Vierungsquadrats auf. Auch das Langhaus ist entsprechend gegliedert. Im Mittelschiff geben je zwei Joche das Maß der Vierung wieder. Die Seitenschiffe der Basilika wiederum sind zwar schmaler als das Mittelschiff, aber eben genau um die Hälfte. Das Chorquadrat wird im Osten durch eine halbrunde Apsis abgeschlossen. Auch die Querschiffarme zeigen im Osten halbrunde Apsiden. Im Westen zeigen die dicken Striche des Grundrisses, dass zwei hohe Türme - verbunden durch eine starke Mauer im Westen - ein mächtiges Westwerk mit Doppelturmfassade bilden.


    Stadtwappen von Königslutter

    Zum Abschluss dieser interessanten Reise haben wir dann noch in Königslutter halt gemacht und uns dort die Stiftskirche Peter und Paul, heute allgemein Kaiserdom genannt, angesehen. Diese Kirche gehört zu den eindruckvollsten romanischen Bauten in Niedersachsen und zählt zu den wichtigsten Kulturdenkmälern der Romanik in Deutschland. Von der Bedeutung her ist die Kirche dem salischen Kaiserdom in Speyer gleichzusetzen. Königslutter/Kaiserdom

    Gestiftet wurde sie 1135 als Klosterkirche von Lothar III. von Süpplingenburg (1075-1137), Herzog von Sachsen, ab 1025 deutscher König und ab 1035 deutscher Kaiser. Die dreischiffige, kreuzförmige Pfeilerbasilika - im Hirsauer Bauschema entstanden - gehörte zum gleichzeitig gegründeten Benediktinerkloster. Besondere Bedeutung erlangte der Kaiserdom durch den reichen künstlerischen Schmuck, den ihm ein italienischer Steinmetz, der Meister von Königslutter, wie er in der Literatur genannt wird, gab.

    Zwei Jahre nach Baubeginn starb Kaiser Lothar von Süpplingenburg 1137 in Tirol bei der Rückkehr von einem Italienfeldzug. Seine sterblichen Überreste wurden in der noch nicht fertiggestellten Kirche beigesetzt. Kaiserdom/Ostapsis

    Das linke Bild zeigt die Nordseite des Domes mit dem Querschiff und dem oktogonalen Vierungsturm. Im rechten Bild ist die Chorapsis der Ostseite mit dem Jagdfries (unten links) zu sehen. Der Bildausschnitt (weiter unten rechts) zeigt eine eigenwillige Szene: »Hasen fesseln einen Jäger« - dieser Jagdfries soll nach allgemeiner Deutung den »Kampf und den Sieg des Glaubens über Heidentum, Hölle und Tod symbolisieren«. Jagdfries an der Ostapsis
    Jagdfries / Detail

    Sehenswert ist der Kreuzgang, entstanden ab 1150, von dem der Nord- und der Westflügel noch erhalten sind. Der ältere Nordflügel gehört mit seinem Reichtum an ornamentierten Säulen und Kapitellen zu den schönsten seiner Art in Deutschland. Unten zeige ich zwei Beispiele.

    Auch hier gibt es ausdrucksstarke romanische Kapitelle und Konsolen (2. Reihe unten rechts und links). In der Nordwand ist diese Tür im romanischen Stil mit einem Säulen - Gewände zu sehen (2. Reihe unten Mitte).

    Der Kaiserdom von Königslutter mit seinen Steinmetzarbeiten und den Ausmalungen im Inneren - die wir wegen der zur Zeit laufenden Renovierungsarbeiten nur kurz anschauen konnten - war ein echter Höhepunkt zum Ende dieser interessanten Reise.
    Kaiserdom/Kreuzgang Kaiserdom/Kreuzgang
    Detail im Kreuzgang Christel vor verschlossener Tür Kreuzgang/Kapitell

    Obwohl wegen des vollen Programmes etwas anstrengend und durch das Wetter nicht immer begünstigt, hat uns diese kurze Reise nicht nur Spass gemacht, sondern sie war auch wieder ungemein spannend und lehrreich, wenn man bedenkt, was wir alles an Neuem erfahren und an bekanntem Wissen auffrischen konnten. Wir werden nächstes Jahr bestimmt weitere Orte dieser Strasse der Romanik besuchen - versprochen !

    Ende